Emanuel

Emanuel Stand 2009:

Irgendwie sehe ich mein jetzt gewesenes Leben als Zweigeteilt:

ein Teil von Vorher 

und ein Teil Nachher, der bis jetzt...

Eine sehr lange Zeit, fast 20 Jahre lang, habe ich alles genommen, mir systematisch die Birne zugemacht, mit eigentlich allem was irgendwie knallt, und irgendwann nachdem alles weg war, Job, Frau, Wohnung, mich in Amsterdam als heroinabhänger Obdachloser wiedergefunden, bis ich dann bemerkt habe, oder zugegeben habe, "du musst was Entscheidendes in deinem Leben ändern oder du verreckst!"

Es ist schon hart sein bisheriges Leben reduziert zu sehen auf das reine "Überleben". "Ich will wieder ein freier Mensch sein"!  

Und so ein körperlicher Entzug ist was Feines, da spürt man sich doch so richtig. Jedenfalls habe ich 1 Jahr gebraucht um wieder ordentlich 8 Stunden durchschlafen zu können.

Aber leider kamen auch dann die Probleme.

Ein dicker Unfall [Fahrrad gegen Auto] und dabei muß ich wohl eine leichte Gehirnblutung gehabt haben und keiner hats gemerkt.

Erst später als ich Schwierigkeiten bekommen habe, ist das bei einer Untersuchung rausgekommen, und gleichzeitig auch noch, das ich wohl noch dazu ein sehr starkes Risiko habe, nochmal eine Gehirnblutung zu bekommen. Und das könne fatal sein, auf alle Fälle hätte ich dann ein ganz großes Problem.

Na Prima, das sind ja tolle Aussichten und irgendwie auch ungerecht, das Eine erfolgreich geschafft, um das Nächste zu bekommen das eigentlich noch schlimmer ist.

Jetzt fängst du mit 40 noch mal neu an, studierst, hast schon den Mut und dann das.

Und es kam alles schlimmer : Gehirnblutung, linke Körperhälfte gefühllos, Sehen und Hören so gut wie weg, und zu nix mehr in der Lage und absolut hilflos. Gefangen im eigenen Körper, und der ist jetzt kaputt.  

Um nochmal auf Zweigetelt zurückzukommen, schon im Krankenhaus als ich das CT Bild sah, war mir irgenwie genau klar, was los war und habe ich das als eine Herausforderung gesehen, "das schaff ich, ich lerne wieder laufen". Und wenn ich was wirklich will, schaff ich das auch.

Machmal glaube ich die ganze Drogenscheiße, die Therapie und was noch dannach kam, haben mich stärker gemacht, (1. Leben) und das ist jetzt als das 2. Leben zu sehen.

Bis jetzt hab ich es aus dem Rollstuhl in die aufrechte Position geschafft, übe jeden Tag das Laufen, und es geht voran nur sehr sehr sehr langsam, kann meine Hände wieder benutzen, hab das Auge wieder gerade machen lassen, kann nach der OP wieder aus beiden Nasenlöchern Luft bekommen, wohne allein und selbstständig, das ist doch schon was! Bin jedenfalls immer noch fest entschlossen.  

Die Therapie die ich gemacht habe, OK das war eine Drogentherapie, aber das war eine wichtige Zeit um sich selbst besser klennenzulernen und vieles anders zu sehen,vieles gelassener zu sehen und irgendwie stärker zu sein. Und fühle mich auch nicht traumatisiert, ich finde das Scheiße aber mehr auch nicht. Ich empfinde Neid, wenn ich die Anderen sehe, was die alles können, verlier auch manchmal den Mut weiterzumachen, habe auch schon gedacht, warum tust du dir das alles an, diese Quälerei, aber hab immernoch auf den Boden zurückgefunden und nicht  aufgegeben. Zum Glück bin ich geistig Der Alte geblieben "nur" körperlich halt ein Krüppel.

Und hab eigentlich fast immer sogar noch gute Laune, was mich selber irgendwie wundert, denn : "Es ist wie es ist", also mach das Beste draus.

Emanuel Zeissner, 28.2.2009, EMail: emu.zeissner@netcologne.de

Es ist jetzt einige Zeit vergangen.                                                  27.07.2011´

Mit der Situation, von gleich auf jetzt zum “Krüppel“ zu werden, irgendwie damit fertig zu werden und es zu akzeptieren, hab ich mehr als zwei Jahre zu knabbern gehabt. 

Doch ich hab es dann doch gezwungener Maßen akzeptieren müssen.

 -Es ist wie es ist-

 Ich habe mich entschlossen das jetzt offensiv anzugehen, entweder ganz oder gar nicht und das mit vollem Einsatz. Mir bleibt ja auch nichts anderes übrig um das irgendwie halbwegs zu bügeln.

Es gibt nur

-üben -üben -üben.

-Ich will wieder laufen und an Leben teilnehmen-

 Und dann noch die zweite „Baustelle“,

-Das Gesicht-

Als ich mich im Krankenhaus das erste Mal im Spiegel gesehen habe, hab ich einen Schock bekommen. Und als ich dann auch noch erfahren habe, dass das wohl dauerhaft sei, war das der zweite Schock.

Also nach Möglichkeit durch Operationen das Äußere halbwegs wiederherstellen und an der Aussprache arbeiten.

Dass das Jahre und viel Energie kosten wird ist mir vollkommen klar und schreckt mich nicht.  Aber das ist wohl die einzige Chance die ich überhaupt habe.

 Das mache ich jetzt seit zwei Jahren und es hat sich einiges getan.

 Fünf OPs sind es im Gesicht geworden.

 Aber ich erkenne mich im Spiegel jetzt wieder.

Und jeden Tag sechs bis acht Stunden gehen üben bringt auch Fortschritt. Sehr sehr langsam zwar, doch es tut sich was.

 Mir sieht jeder sofort an das ich behindert bin. Jeder der mich sieht schließt sofort, dass mein Geisteszustand dann auch behindert sei. Es ist aber nicht so, sondern so wie eh und je.

Dann will man mir zu viel helfen. Hält mich für blöd und ich muss Hilfe eher abwimmeln.

Ein jeder wechselt die Tonlage zu mitleidsvoll. Ich brauche kein Mitleid. Rücksicht ja, Mitleid nein!  -Ich mach das schon“-  -Punkt-

Ich hätte nie geglaubt wie sehr man sich doch ändert durch so ein „Ereignis“. Gehört davon ja, aber geglaubt?

Ich bin zwar noch die gleiche Person geblieben, doch meine Einstellung hat sich radikal geändert.

Wenn ich früher meine Energie zumeist für mein kurzzeitiges Amüsement aufgebracht habe und sehr egozentrisch war, denn nichts anderes ist Drogen nehmen, benutze ich jetzt alle Kraft, und davon hab ich mehr als ich mir je zugetraut habe, um voran zu kommen, trotz dieser sehr heftigen Situation positiv zu denken und als Herausforderung anzunehmen. Da mit Anstrengung heraus zu wollen.

Bin in dem was ich will, stark und sehr zielstrebig geworden. Glaub an mich. Wie gesagt,  

-ich will am Leben teilnehmen-    

und laufen und reden gehört nunmal dazu.

 

Emanuel Stand 2015:

Ich bin jetzt im 8. Jahr meiner Behinderung. Und um es direkt am Anfang zu erzählen, ich gehe immer noch an einem Rolator.
Aber es hat sich ‚ne ganze Menge, sei dem ich mich das letzte Mal gemeldet habe, getan. Es ist wirklich eine ganze Menge passiert.
Das extremste Ereignis, war der Tod meines jüngeren Bruders im November 2010.
Ich übe nach wie vor jeden Tag eine Menge.
Mittlerweile schaffe ich etwa 6 Kilometer am Tag, einen am Stück recht locker und etwa einen ohne Pause in einem durch.
Ansonsten merke ich jedenfalls das Wege gehen, an die ich früher nicht einmal denken konnte. Dass das mittlerweile geht, liegt an meinem jahrelangen hartnäckigem vielen Üben und hat mich jede Menge Schweiss und Mühe gekostet. Ich merke,  dass jedes Jahr mehr möglich ist. Und es ist noch lange nicht Schluss!
Da ich mir angewöhnt habe nur nach vorne zu schauen und niemals nach hinten, fällt es mir sehr schwer alles chronologisch auf zu zählen.
Ich kann wieder mit der Strassenbahn in die Stadt fahren, ich fahre oft mit der Eisenbahn in verschiedene Städte und brauche nur noch bei wenigen Sachen Hilfe.
Mein Augenlid ist mittlerweile so operiert worden, das es jetzt wieder schließt und ich dadurch keine Kontaktlinse mehr brauche. Das ist echt eine Verbesserung. Das Sehn ist mittlerweile dadurch wieder akzeptabel. Und ich habe auch keine superdicke Brille mehr.
Mein Gesicht ist plastisch operiert worden und ich sehe dadurch mittlerweile auch wieder ganz OK aus.
Sprechen geht, dank der sehr grossen Hilfe  meiner Logopädin und viel Übung auch wieder verständlich.
Wie man sehen kann, sind die grössten „Baustellen“ abgearbeitet. Und am Rest arbeite ich weiter.
Ich hatte schon vorher gehört, dass die gesamte Persönlichkeit eines Menschen nach einem so gravierendem Ereignis, wie einer Gehirnblutung, komplett verändert wird. Ich konnte es nie so wirklich glauben oder gar verstehen.
Jetzt aber weiß ich, dass es wirklich stimmt. Denn ich selbst bin danach ein komplett andrer Mensch geworden. Na ja, jedenfalls fast ganz. Für mich sind jetzt Dinge wichtig, die mir früher völlig egal waren.
ich bin jedenfalls ein so ausgeglichener Mensch als jemals vorher im Leben geworden, und als weiterer Gegensatz, bin ich jetzt extrem zuverlässig und pünktlich geworden. Ich hätte niemals gedacht, dass ich je eine Sache, wie das mit dem Gehen, so langanhaltend und hartnäckig verfolge.  Und das geht jetzt schon etliche Jahre so, üben und üben und nochmals üben.
Doch jetzt so langsam, fangt das Leben an wieder an interessanter zu werden. Ich bin wesentlich unabhängiger geworden und  überhaupt, um wieder so zu werden, wie ich jetzt bin, war es, wie gesagt,  ein verdammt langer langer Weg mit sehr viel Mühe und Schweiss.
Ich hatte, glaub ich, gefühlte 1000 mal, die Schnauze so dermaßen voll, hab am Sinn von dem Allem gezweifelt aber letztlich doch immer weiter gemacht. Und das ist schon eine elende und langjährige Quälerei.
Aber es ist jetzt schon wieder so viel möglich, das ich nie mehr für möglich gehalten hatte. Und es geht ja noch weiter. Es fängt ja Gerde erst wieder an, und das als komplett andere Persönlichkeit.
Dann war auch ein Kamerateam bei mir und hat mich bei meinem täglichen Üben gefilmt. Unter anderem auch beim Schuhe anziehen und zu binden. Das war vor wenigen Jahren absolut unmöglich. Dabei ist mir aufgefallen, dass das noch nie vorher so problemlos geklappt hat. Man sieht ja nur jemanden der relativ problemlos seine Schuhe anzieht und zumacht. Doch was man nicht sehen konnte, ist das was dahinter steckt. Wievielt Jahre Arbeit dazu nötig waren und wie viel üben ich dafür aufgebracht habe.
Wie man sieht, es geht voran. Langsam zwar, aber es geht was!
Meine Ziele sind nach wie vor die Selben. Ich arbeite weiter daran sie zu verwirklichen!

Emanuel   24.1.2015