Carsten

Mein neuer Alltag wurde am 28. Februar 1982 eingeläutet. Damals war ich 12 Jahre alt, Schüler der siebten Klasse eines Gymnasiums und wurde in Witten, etwa 300 Meter von meiner Wohnung entfernt, von einem Auto als Rollschuhläufer angefahren.

Die Folge war eine schwere Schädel-Hirnverletzung mit beiderseitigen Oberschenkelbrüchen, einem Unterschenkelbruch links und einer Halbseitenlähmung links.

Die stationäre Behandlung erfolgte zunächst vier Wochen auf der neurochirurgischen Intensivstation und anschließend auf der unfallchirurgischen Station des Knappschaftskrankenhauses in Bochum-Langendreer.

Vom 02.06.1982 bis zum 02.03.1983 erfolgte eine stationäre Weiterbehandlung im, seinerzeit in Deutschland einzigartigen, neurologischen Rehabilitationskrankenhaus für Kinder und Jugendliche in Gailingen (Hegau Jugendwerk). Das Besondere hier war, dass in den Kernfächern Schulunterricht angeboten wurde, womit ich mir eine Rückkehr zu meinen alten Freunden in meiner alten Schule erhoffte.

Diese Hoffnung wurde allerdings nicht Realität. Ein Schulwechsel in die Schule für Körperbehinderte in Bochum-Langendreer musste durchgeführt werden.

Der Unterricht hier verlief von 8:00 Uhr bis 15:30 Uhr. Der Schulweg mit einem Schulbus zurückgelegt. Dieser Umstand machte Begegnungen mit meinem alten Freundeskreis unmöglich. Ich suchte mir neue Betätigungsfelder und erhoffte mir so neue Freunde. Diese fand ich in der Mitarbeit im Kindergottesdiensthelferkreis und in der evangelischen Gemeindejugend meiner Kirchengemeinde.

Nach der Bochumer Sonderschulzeit erfolgte, nach gescheiterter Eingliederung n die gymnasiale Oberstufe meiner vor dem Unfall besuchten Schule, der Schulwechsel in die Körperbehindertenschule nach Köln, wegen der noch größeren Distanz zum Wohnort an Schultagen von montags bis freitags mit Internatsunterbringung. Hier bestand ich 1989 das Abitur.

Private Kontakte zu ehemaligen Freunden wurden immer weniger und schliefen mit der Zeit ganz ein. Erste sexuelle Beziehungen und Erfahrungen konnten, aufgrund des immer wiederkehrenden Ortswechsel, zu dieser Zeit nur in Form von Eigenliebe gemacht werden.

Nach dem Abitur studierte ich an der Universität zu Köln das Lehramt für die Sonderpädagogik. 1994 bestand ich die Erste Staatsprüfung und war, aufgrund ausbildungsbehördlicher Schikane, bis 1999 Lehramtsanwärter. Nachdem ich dann eine minimale Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit ab dem 01.07.2000 meine Einkünfte nennen durfte, entschloss ich mich zur Promotion.

Meine Doktorarbeit befasst sich mit einer Beratungsstrategie zur beruflichen Eingliederung von schädel-hirnverletzten Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Im Mai 2004 wurde ich promoviert.

Seit dem 15. Februar bin ich wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Erziehungswissenschaft – Arbeitsbereich Sozial- und Sonderpädagogik - der Philipps-Universität Marburg. Hier bearbeite ich die gemeinsame Beschulung behinderungserfahrener und nicht behinderungserfahrener Schüler in der Sekundarstufe I.